Volkskrankheit Präsentismus – ein Fall für das Job Coaching?
7. Februar 2018 - Geschrieben von: Lena Flecke
Kennen Sie das auch, wenn man trotz Erkältung zur Arbeit geht, um die Kollegen nicht im Stich zu lassen? Oder wenn man sich aufgrund der privaten Probleme bei der Arbeit ganz ausgelaugt fühlt? Viele Arbeitnehmer, die sich in solchen Situationen befinden, kommen zur Arbeit, um ihre Aufgaben weitestgehend zu erledigen. Man gibt sein Bestes, ist präsent, aber nicht hundertprozentig leistungsfähig.
Was Präsentismus bedeutet
Der Begriff Präsentismus ist an den Begriff Absentismus angelehnt. Der Unterschied ist, dass Absentismus die Abwesenheit vom Arbeitsplatz bezeichnet, zum Beispiel aufgrund von Krankheiten, gesundheitlichen Einschränkungen, privaten Problemen oder auch psychischen Problemen. „Präsentismus“ drückt aus, dass man anwesend ist, aber dennoch nicht die volle Leistung erbringen kann – unter Umständen aus denselben Gründen. Genau wie beim Absentismus kann daher auch beim Präsentismus von Produktivitätsverlusten gesprochen werden.
Oft befinden sich Arbeitnehmer in einer solchen Situation im Zwiespalt, weil sie einerseits an all die Verpflichtungen bei der Arbeit denken, ihnen andererseits der eigene Körper signalisiert, sich auszuruhen. Wie man sich letztendlich entscheidet, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Gründe für Leistungseinschränkungen
Präsentismus bezeichnet wie beschrieben nicht nur den Mitarbeiter, der mit Kopfschmerzen oder einer Erkältung zur Arbeit kommt und eigentlich “sichtbar” krank ist. Produktivitätsverluste aufgrund von Leistungseinschränkungen können auch aufgrund anderer Faktoren als Krankheit entstehen, nämlich bedingt durch den Stress bei der Arbeit oder im Privatleben.
Arbeitsbedingt, wenn es beispielsweise Konflikte mit Kollegen am Arbeitsplatz gibt, oder ein Mitarbeiter sich unter- oder überfordert fühlt. Bedingt durch das eigene Privatleben, wenn man zum Beispiel finanzielle oder familiäre Probleme hat, die man mit zum Arbeitsplatz nimmt, weil sie einem nicht aus dem Kopf gehen.
Außerdem kann es Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren geben. Familiärer Stress führt zu Schlafmangel, der zur Unkonzentriertheit am Arbeitsplatz führt. Oder Konflikte mit Kollegen sorgen dafür, dass man die eigene berufliche Unzufriedenheit an der Familie auslässt.
Kann man Präsentismus erkennen?
Über Krankheitstage können Statistiken geführt werden, die von Monat zu Monat und von Jahr zu Jahr ganz leicht verglichen werden können. Ebenso kann festgestellt werden, ob in bestimmten Abteilungen Auffälligkeiten auftreten. Aber Präsentismus zu erkennen, ist aus Arbeitgebersicht schwierig, da dieser im Gegensatz zum Absentismus nicht immer messbar ist.
In manchen Fällen, wie zum Beispiel bei der Arbeit in der Produktion, lässt sich die Leistungseinschränkung vielleicht an verlangsamter Arbeit erkennen, oder wenn beispielsweise Stückzahlen nicht erreicht werden. In einem Bürojob ist es schon schwieriger, zu erkennen, ob ein Mitarbeiter den gesamten Tag produktiv war und seine Tagesziele erreicht hat, oder nicht. Häufig gibt es keine fest definierten Tagesziele. Präsentismus fällt daher oft erst auf, wenn grobe Fehler passiert sind, oder Deadlines nicht eingehalten worden sind. Und oft ist es so, dass die mangelnde Leistung eines Einzelnen im Team gar nicht auffällt.
Prävention und Ursachenforschung
Da Präsentismus selbst nur schwer erkennbar ist, ist die Prävention sehr wichtig. Es ist notwendig, dass man als Arbeitgeber und auch als Vorgesetzter auf seine Mitarbeiter beziehungsweise sein Team achtet und ein offenes Ohr hat. Erste Anzeichen für Stress, Unter- oder Überforderung und Unkonzentriertheit sollten sehr ernst genommen werden. Ein verständnisvolles und feinfühliges Gespräch mit dem Betroffenen kann helfen, der Ursache auf den Grund zu gehen. Sind die Probleme arbeitsbedingt oder haben sie etwas mit dem Privatleben der betroffenen Person zu tun? Man sollte das Gespräch suchen und gemeinsam überlegen, wie man den Betroffenen in seiner Situation am besten unterstützen kann.
Konflikte im Team sollten gemeinsam bewältigt werden, vielleicht mit der Unterstützung eines Moderators. Wenn die Arbeit zu einem hohen Maß an Stress oder Unter-/Überforderung für den Betroffenen führt, sollte geprüft werden, wie Aufgaben anders verteilt werden können, ob eventuell Schulungs- und Weiterbildungsbedarf besteht, oder ob die Stelle inhaltlich möglicherweise umgestaltet werden sollte.
Unterstützung anbieten
Neben der Unterstützung des Vorgesetzten und des Teams ist das Coaching eine tolle Möglichkeit, Präsentismus vorzubeugen beziehungsweise entgegenzuwirken. Manche Unternehmen (wie auch Job find 4 you) beauftragen einen externen Coach, mit welchem die Mitarbeiter bei Bedarf Gesprächstermine vereinbaren können. Dieser Coach kann Betroffene darin unterstützen, berufliche oder private Probleme aufzuarbeiten und Lösungsstrategien zu entwickeln, sodass die Belastung reduziert wird und die eigene Arbeit wieder Spaß machen kann.
Auch wenn aus Arbeitgebersicht auf dem ersten Blick die Kosten gegen diese Option sprechen mögen, bleibt zu sagen, dass Präsentismus auf lange Sicht deutlich teurer sein kann, als ein Coach. Zudem ist das Angebot des Coachings optimal, um dem Mitarbeiter zu zeigen, dass sich der Arbeitgeber um sein Wohlbefinden und die Gesundheit sorgt. Das trägt zu einer vertrauensvollen Arbeitsbeziehung und zu langfristigen Arbeitsverhältnissen bei.
Die Zusammenarbeit mit einem Job Coach
Um die Vorteile des Coachings besser aufzeigen zu können, haben wir unseren Job Coach Katja Mugele-Schurig aus Enschede um ein Fallbeispiel gebeten:
„Derk B. wartete nach einem Monat stationärem Aufenthalt im Krankenhaus auf einen Platz in der psychotherapeutischen Tagesklinik. 8-10 Wochen waren anvisiert, um seine Depression in den Griff zu bekommen. Zu Hause fühlte er sich ebenso bedrückt und energielos, daher beschloss er, in der Wartezeit lieber wieder zur Arbeit gehen. Das Angebot, in der Zwischenzeit auszuprobieren, ob ihn der Jobcoach positiv unterstützen kann, nahm er an.
Schon nach dem dritten Gespräch hatte er seinen Arzt gebeten, den Beginn des Klinikaufenthaltes um 3-4 Monate zu verschieben. Nach dieser Zeit war die Maßnahme aber gar nicht mehr nötig. Die Kombination, sein Leben und seine Arbeit im gewohnten Rhythmus weiter zu leben und parallel dazu eine intensive Begleitung in Form des Coachings zu erhalten, war für ihn ideal.
Er traf sich zu Beginn wöchentlich mit dem Coach, später wurden die Abstände größer (alle 2, 4, 8 Wochen). Die Zeit, die sich der Coach nehmen kann, um dem Kern der Depression auf den Grund zu gehen und mit dem Mitarbeiter gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, macht möglich, dass er ganz andere Methoden anwenden kann, als ein Arzt oder Psychotherapeut, der oft nur 60 Minuten zur Verfügung hat.
In Gesprächen zwischen 90 und 180 Minuten konnte Derk B. inhaltlich sorgfältig erarbeiten, was in seiner Situation eine Rolle spielt, was seine individuellen Stressfaktoren sind und warum sein Körper so reagiert, wie er reagiert. Er konnte gemeinsam mit dem Coach seine individuellen Ressourcen aktivieren und eine Strategie für die Zukunft entwickeln. Für Derk B. war es der richtige Weg, um sein Leben jetzt wieder positiv und energiegeladen leben zu können.“
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